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Calcars Schützen im Mittelalter
aufgezeichnet von Vikar J. A. Wolff

Schützen Calcar

Das vormalige Kriegswesen, namentlich die Kriegsführung, die grösstentheils im Rauben, Plündern und Zerstören bestand, dazu der Mangel an stehenden Heeren nöthigte die Bürger, ihre Städte möglichst zu befestigen, sich stets in den Waffen zu üben und kriegsbereit zu halten. Galt es doch nicht allein ihre Erhaltung, sondern auch die ihres Fürsten und Landes, so wie auch derjenigen Städte, mit denen sie ein Schutz- und Trutzbündniss geschlossen hatten.


Jeder wehrfähige Bürger Calcars
war auch wehrpflichtig und musste dem Heerbann folgen, so oft das Aufgebot des Bürgermeisters und seiner Räthe an ihn erging; weigerte er sich, so hatte er nach dem Stadtrecht eine ansehnliche Geldstrafe zu entrichten. Dieselbe Behörde bestimmte für Jeden seine Ausrüstung und Bewaffnung auf seine Kosten. Die Handwerkerinnungen hatten eine festgestellte Rüstung. Ausser dem Harnisch, der Armbrust, dem Spiess, dem Ringkoller, der Hellebarde und dem Schlachtschwert sind auch genannt ein langes Rohr, ein "Katzballilch", eine Muskete und ein Springstock. - Die Bierbrauer hatten einen Harnisch, Spiess und Seitengewehr; die Kleidermacher einen Harnisch und Spiess, oder einen Ringkoller nebst einer Hellebarde; die Weber zum wenigsten ein Rohr oder eine Hellebarde; die Schmiede einen Harnisch, Spiess und Seitengewehr oder einen Ringkoller, Hellebarde und Seitengewehr, oder ein langes Rohr mit Zubehör und Seitengewehr.

 

Ausser den Handwerksinnungen gab es vier Bruderschaften, nämlich die des hl. Antonius, Jacobus, Georgius und Sebastianus, deren Hauptzweck war die Ausbildung der waffenfähigen Jugend, die Erhaltung der patriotisch-kriegerischen Begeisterung und die" Vertheidigung der Stadt und des Landes. Es scheint, dass die Gildebrüder zu diesen Sodalitäten oder Fraternitäten gehört haben. Die Gildebrüder wählten nach einer im Stadtarchiv befindlichen Urkunde vom Jahre 1737 ihren Vorstand durch Cooptation unter sich; derselbe wurde dem zeitigen Bürgermeister als Obergildenmeister zur Bestätigung präsentirt. In den Rechnungen werden die Krieger "Schütten" genannt und in alte, mittlere und junge Schütten getheilt. Jede Bruderschaft hatte ihren Kapitän, Lieutenant, Fähnrich; ferner werden genannt der Feldwebel (wyfeler), Pfeifer, Trompeter und Trommler. Der Hauptmann und Lieutenant einer Bruderschaft war als solcher auch Mitglied der" drei anderen Sodalitäten. Diejenigen Schütten, welche Pulver zu bereiten und Kugeln zu giessen hatten, hiessen „donderschütten" (Bombardiere, Feuerwerker). Die Krieger übten sich auf den Wällen oder Weiden der Stadt im Springen, Laufen, Schiessen. Jährlich schoss Schütterei ihren Vogel und bekam dann von der Stadt eine Bierzeche. Die alten Schütten erhielten zu gewissen Zeiten eine jährliche Remuneration von der Stadt; im Jahre 1438 bekamen sie 2 rhein. Gulden, d. h. 73 Mark 8 Schill. 

 

Die Bruderschaften hatten ein ansehnliches Vermögen und ihre besondere Verwaltung; jede hatte in der Pfarrkirche ihren eigenen Altar und Altaristen. Am Jahrestage ihres Schutzpatrons fand ein feierlicher Gottesdienst statt für, die Seelenruhe der verstorbenen Brüder, verbunden mit Brod- und Geldspendungen an die Stadtarmen. Darauf folgte ein gemeinsames Mittagsmahl und eine Besprechung der Angelegenheiten der Schütterei. Die Schütten waren streng verpflichtet, ihre Rüstung und Waffen in bester Ordnung zu erhalten. Bürgermeister und Rath hatten das Recht, zu jeder Zeit Waffenschau (rustongschaw) in jedem betreffenden Hause zu halten und die Nachlässigen zu bestrafen.

 

Graf Adolph versprach in dem Privileg vom Jahre 1368, dass er von der Stadt niemals eine ungebührliche Schatzung verlangen werde; dagegen solle sie ihn in seinem Lande gegen seine Feinde vertheidigen, so oft es nöthig wäre und in grösseren Fehden solle sie dieses auf eigene Kosten sechs Wochen lang thun.

 

Von der Tapferkeit der Calcarer und ihrem Patriotismus sei hier ein Erweis angeführt. Es war an einem nebeligen Frühmorgen im Jahre 1391, während Graf Adolph im Clevisch-Kölnischen Kriege in der damals noch Kölnischen Stadt Rees gefangen gehalten wurde, als die Reeser die Stadt Calcar überrumpelten. Schon hatten sie das östliche Hanselaerer Stadtthor gewaltsam erbrochen und waren plündernd in die Stadt gedrungen. Da erst durch das Horn des Nachtwächters von der Gefahr in Kenntniss gesetzt, eilten die Bürger herbei. Die Feinde wurden aus der Stadt geschlagen; viele derselben fanden ihren Tod in dem zweiten Stadtgraben. der seitdem bis auf den heutigen Tag der Todtengraben heisst. Adolph's Bruder Engelbert, Graf von der Mark, und die beiden Brüder des gefangenen Grafen, nämlich Adolph und Dieterich, versprachen zum Lohne der Stadt Calcar ihre Freiheiten zu erhalten, sie zu vermehren und ihre durch den Krieg entstehenden Nachtheile zu restituiren.

 

Nach seiner Befreiung belohnte auch Graf Adolph den Heldenmuth seiner getreuen Calcarer und bestimmte aus seiner Kasse auf ewige Zeiten jährlich am Gedächtnistage ihres todesmuthigen Kampfes eine gewisse Summe zu einer Recrcation für die Stadtmiliz. Dieses "Tractement" wurde auch später unter der Brandenburgisch- Preussischen Regierung bewilligt und bestand bis zur grossen französischen Revolution.

 

Nicht selten erschienen auf Befehl des Bürgermeisters und Raths die Calcarer Krieger in blanker Rüstung ; bald begleiteten sie den Bürgermeister und seine Räthe, um den Landesherrn zum Besuche abzuholen; bald nahmen sie Theil an feierlichen Prozessionen, nicht allein in Calcar, sondern auch in andern Städten; wie in Cranenburg und Sonsbeeck.

 

Im Jahre 1312 schlossen die beiden ältesten Clevischen Städte Cleve und Calcar einen Vertrag, in dem sie sich verpflichteten, mit Gut und Blut einander beizustehen, so oft sie der kriegerischen Hülfe bedürften. Ausserdem wurde bestimmt, dass Streitigkeiten zwischen Calcarer und Clever Bürgern nicht vor dem öffentlichen Gerichte, sondern vor besonderen Schiedsrichtern sollten geschlichtet werden. Anders ging's her, wenn der Landesherr, von Feinden bedroht, seine treuen Calcarer zu den Waffen rief, und die Fehde mehrere Tage dauern konnte. Zunächst wurde dann gesorgt für die Beschaffung des Proviants, welcher meist in Fleisch, Speck, Käse, Butter, Häringen, Brod und Bier bestand. Die Gefässe, aus denen das Bier getrunken wurde, wurden „Teuten“ genannt; sie enthielten4-6 Maass und wurden an Taue gereiht. Die Pfeile wurden eingetonnt; Proviant und Rüstung wurde gefahren. Häufig zog der Bürgermeister als Hauptmann zu Pferde mit. Nur in grösster Gefahr rückten sämmtliche "Schützen", in der Blüthezeit Calcars ca. 270 Mann, (die ganze Stadt) aus und dann nur auf wenige Tage, gewöhnlich nur die halbe Stadt oder der vierte Theil, der dann von der zurückgebliebenen, zur Bewachung der Stadt nöthigen Mannschaft nach einigen Tagen abgelöst wurde.

In älterer Zeit betrug der tägliche Sold 1 Stüber nebst Verpflegung. Der Feldwebel, Trompeter, Fähnrich und Pfeifer erhielten höheren Sold. Der Verwundete erhielt erhöhte Löhnung, Schmerzensgeld genannt. Wurde ein Schütze im Kriege zeitlebens gelähmt, oder arbeitsunfähig, oder starb er, so sorgte die Stadt für ihn oder seine Familie, wenn's nöthig war.

 

Mitunter zog der Stadtchirurg (barbier) mit den Schützen aus, nachdem die Stadt mit ihm einen besonderen Vertrag geschlossen hatte; wir werden einen solchen aus dem Jahre 1499, später ,mit- theilen. Auch erwähnen wir die Rechnungen eines Geistlichen, der den Kriegern folgte. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts konnten die Calcarer Bürger im Kriege einen Stellvertreter stellen, Während der Regierungszeit des kriegsliebenden Herzogs Johann II. von Cleve nahm die Stadt auch Söldner in Dienst; wir führen einen interessanten Vertrag der Stadt mit denselben aus dem Jahre 1499 unter den Beilagen an. Während des 30jährigen Krieges liessen die Waffenübungen der Bruderschaften nach,' denn Calcar war seit Ende des 16. Jahrhunderts fast ein volles Jahrhundert eine Garnisonstadt verschiedener Nationen, Die Bruderschaften lösten sich zuletzt ganz auf.

 

Doch im Jahre 1650 erneuerte sich die Schütterei oder Fraternität des hl. Antonius; es traten 115 Brüder ein, darunter zwei Gildemeister und ein Fähnrich Seit langer Zeit wurde jetzt wieder das alte Schützenfest mit seiner Proklamirung eines „Schützenkönigs“ abgehalten. Vor dem feierlichen Auszuge der Schützen wurde eine über 10 Fuss hohe Darstellung des Wesen Goliath hergetragen, Die Renovation des Bildes kostete 17 Daler 14 Stüber. Der Träger des übermüthigen Philisters erhielt 20 Stüber. Für den ersten Preis im Schiessen waren 4 Ellen bestes Tuch bestimmt, die Elle zu 4 Daler 22 ½ Stüber. (1 Daler gleich 30 Stüber) fac. 19 Daler.


Die später folgende Versammlung und Recreation fand auf dem Rathhause statt. Die Rechnung hierüber enthält folgende Notizen: Man kaufte zum Bierbrauen 18 Malter Malt. fac. 72 Daler; Hopfen für 10 Daler; an die Stadt wurde für Bieraccise bezahlt 6 Daler; der Brauer erhielt für jedes der drei Gebräue 1 Daler 7 ½ Stüber; den Musikanten gab man 2 Daler. Zur Bewillkommnung des Königs wurde für 20 Stüber Pulver verschossen. 5 ½ Quart Branntwein kosteten :1 Daler 20 Stüber. Für Weissbrod ( Weggen) 3 Daler. Drei Paar Handschuhe für die 2 Gildemeister und den Fähnrich 1 Daler 24 Stüber. Für den Kirchendienst (Pastor, Vikare, Schulrector, Ministranten, Küster, Kirchenmagd) 2 Daler 22 ½ Stüber. Statt der Befreiung von bürgerlichen Stadtlasten für 1 Jahr, wie früher, erhielt der König aus der Stadtkasse 12 Daler.