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Die Calcarer Freilichtspiele


Calcarer Freilichtspiele

Die Organisatoren der
Calcarer Freilichtspiele












Kaplan Esser

Vorsitzender u. Begründer d. Calcarer Freilichtspiele

Calcarer Freilichtspiele

Von links sitzend: Kaplan Esser, Lehrer Kück,
stehend: 
Karl Maas, August van Vügt, Felden, Philipp Malburg - Spielleiter, Sack, Istas, Umbach

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“ Haus Sieben Linden “

Die Witwe des Malers Professor Claus Meyer verkaufte Haus Sieben Linden einige Jahre nach dem Tode ihres Mannes an die Spielgemeinde der Kalkarer Freilichtspiele, die es bis zur Zerstörung im zweiten Weltkrieg als Vereinshaus und Jugendherberge nutzte.

 ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------CALCARER FREILICHTSPIELE

Chronik zusammengestellt von Kaplan Karl Esser Calcar.

Calcar am Niederrhein ist berühmt durch die wundervollen alten Schnitzaltäre seiner St. Nikolaikirche, durch sein monumentales Rathaus und seine schmucken Giebelhäuser. In den weitesten Kreisen bekannt geworden ist es in den letzten Jahren auch durch die "Calcarer Freilichtspiele". 

Bei Calcar, in unmittelbarer  Nähe des Städtchens, in einer unwegsamen Schlucht am Monreberg, wo ehedem Zigeuner lagerten, wo die Kinder vor Jahren noch mühevoll ein Körbchen Brombeeren suchten, wo die heutigen Kalkarer in ihrer Jugendzeit beim Soldatenspiel so manche Schlacht geschlagen haben, da steht heute eine der bedeutendsten Naturbühnen Deutschlands. Am 24. November 1924 wurde in dieser bisher fast unbekannten Schlucht, die im Volksmunde den unfreundlichen Namen "Düwelskull" trug, das Unternehmen begonnen. In monatelanger, mühsamer Tätigkeit wurden die Arbeiten durchgeführt. Unter voller Wahrung und Betonung der eigenartigen landschaftlichen Schönheit wurde die "Teufelsschlucht" zu einer in ihrer natürlichen Großartigkeit beispiellosen Freilichtbühne umgestaltet. Strahlenförmig führen an der Südseite von der Talsohle aus 70 Stufen nach oben zu den in gigantischer Staffelung eingebauten 5000 Sitzplätzen. Von ihnen hat man einen prachtvollen Ausblick auf den gegenüberliegenden Bergkegel, der zusammen mit der wohlgegliederten Talsohle ein entzückendes Spielfeld bietet. Zur Rechten schaut man hinaus auf die friedlich-schöne niederrheinische Landschaft.

 

 In bewußter Anlehnung an die kirchliche Kunst der heimischen "Calcarer Schule" pflegt die Calcarer Spielgemeinde - ausschließlich Laienspieler - das religiöse Volksschauspiel, weil gerade dieses auf dem historischen Hintergrunde heimatlicher Kunst bodenständig und typisch ist. So will sie in idealer Weise der Volksbildung und Jugendpflege dienen. 

Die "Calcarer Freilichtspiele" wurden im Jahre 1925 eingeleitet durch die "Calcarer Passion" von Wilhelm Wiesebach SJ. Der Dichter, der zu den Mitbegründern des Bühnenvolksbundes gehört, bot als Text eine Originalbearbeitung seines Werkes "Das Leiden Christi". Ein Vorspruch Michel Beckers und ein Vorspiel Wiesebachs gaben dem Ganzen ein feines Heimatkolorit, indem sie die Beziehung zur kirchlichen Kunst Calcars und besonders zum Calcarer Passionsaltar des Meisters Loedewich herstellten: "Was frommer Schnitzer großer Meisterschaft vor viel Jahrhunderten gelang, nichts anderes wollen: nun mit ihrer Art die Enkel ihren Zeiten weisen". Der Frankfurter Dramaturg Philipp Malburg, der zugleich Christusdarsteller war, leitete das Passionsspiel. Mit lebendigster Anteilnahme und innerlichster Hingabe spielten die Calcarer.

 Die Wirkung auf die Zuschauer war groß; die Gesamtzahl der Besucher betrug 30 000. Die "Calcarer Passion" wird stets das Hauptspiel in Calcar bleiben und in regelmäßigen Zeitabschnitten in neuer Vervollkommnung wiederkehren.

 Im Jahre 1926 wurde unter künstlerischer Leitung von Dr. Konrad Maria Krug aus Witten das große biblische Schauspiel "Paradies und Brudermord" von Sebastian Wieser zur Aufführung gebracht. Die furchtbare Not des Krieges hatte dem bayrischen Pfarrer und Schriftsteller den Stoff zum Drama nahegelegt. An Hand der biblischen Erzählung wurde hier in großen, monumentalen Zügen gezeigt, wie das Böse in die Welt eindringt, wie es Haß und Zwietracht sät und zu blutiger Tat führt. Passend wurde diese Aufführung an die vorjährige angeschlossen. Das große Mysterium der Erlösung lenkte bei der Auswahl des Spieles von selber den Blick auf das Bild von Menschenglück und Menschenschuld im Paradiese, das wir im Calcarer Hochaltar von Jan Joests Meisterhand gemalt sehen, So war die Beziehung zwischen "Calcarer Passion" und "Paradies und Brudermord" auch heimatgeschichtlich gegeben. Es gelang, ein Spiel zu bieten, das stilistisch und spieltechnisch einen wesentlichen Schritt weiterführte. Im ersten Teil vorwiegend lyrisch, im zweiten hochdramatisch, war es doch einfach und klar; inhaltsschwer war der Gedanke, groß die daraus gewobene Handlung. Jedes Auf und Ab der Bühne, jedes Kommen und Gehen, jede Bewegung und jedes Stillstehen hatte seine besondere symbolische Bedeutung. Hier war ein durchaus einheitliches, geschlossenes Kunstwerk gestaltet. Der Sprung aus dem Naturalismus zum Stil war so gut vermittelt, daß die Zuschauer bedingungslos folgen konnten. Auch während dieser Aufführungen nahm die Besucherzahl von Sonntag zu Sonntag zu.

 

 1927 wartete die Calcarer Spielgemeinde, ebenfalls unter Dr. Krugs Leitung, mit dem Schauspiel "Joseph und seine Brüder" auf. Bereits im Jahre 1912 wurde in London mit großem Erfolg das von Louis Parker verfaßte Stück "Joseph and his brothers" gegeben. Als Ausstattungsstück großen Stiles war es inszeniert worden. Das Schauspiel schien sich recht wohl für die in Deutschland vorhandenen Freilichtbühnen zu eignen. Mit der Neubearbeitung wurde Sebastian Wieser betraut, der bisher auf diesem Gebiete schon mit Erfolg gearbeitet hatte. Um dem Spiele eine Wirkung zu sichern, mußte eine gründliche Umarbeitung und Neudichtung vorgenommen werden. Auch dieses Spiel fand in Calcar - wie vorher in Oetigheim (Baden) - große Beachtung und starken Besuch. 

Das Jahr 1928 sah unter gleicher Spielleitung das romantische Volksschauspiel "Parsifal" von Peter Macholin. Es war die volkstümliche Bearbeitung des gleichnamigen mittelhochdeutschen Epos Wolframs von Eschenbach. Der Dichter kündet uns die alte Maer von Parsifal, dem reinen Toren, der Gott verlor und ihn nach langer Irrfahrt wiederfand. Das literarisch hochstehende Spiel auf der von der imposanten Gralsburg gekrönten Bühne machte nicht nur auf das schlichte Volk einen tiefen Eindruck, sondern zog auch weite Kreise der Gebildeten in ihren Bann, die von jetzt an mehr als früher ebenfalls zu regelmäßigen Besuchern unserer Freilichtspiele wurden. So war ein sicherer Aufstieg innerer und äußerer Art gegeben. Es war begreiflich, daß die "Calcarer Passion" 1930 im Aufführungsjahre des Oberammergauer Passionsspiels einen beispiellosen Erfolg aufwies. Sie war eine Sonderbearbeitung der Oetigheimer Ausgabe des Oberammergauer Textes und vereinigte religiöse Weihe mit dichterischer Schönheit und dramatischer Kraft. Eine wahre Völkerwanderung nach, Calcar setzte ein, das sich wie nie zuvor den Namen des "niederrheinischen Oberammergau" erwarb. 

 

Wie im Jahre 1926 auf die "Calcarer Passion" das Spiel "Paradies und Brudermord" von Sebastian Wieser folgte, so reihte sich im Jahre 1932 wiederum der "Passion" dasselbe große Menschheitsdrama von Paradiesesglück und Sündenschuld, von Liebe, Haß und Brudermord an. Jahrtausende alt ist sein Inhalt, und es ist doch so gegenwartsverbunden, daß jeder sein eigenes Schicksal und Ringen hier schaut und erlebt. Ein allseitiges Heimatspiel ist das diesjährige Freilichtspiel der Calcarer, da sie nunmehr auch unter heimischer Regie stehen. August van Vügt aus Calcar, der sich schon im Jahre 1930 neben dem bisherigen Spielleiter in ausschlaggebender Weise betätigte, hat die künstlerische Leitung übernommen. Auch die Chöre und die Musik haben einheimische Leiter. Wenn von den religiösen Gedanken des Spiels manches Wertvolle ins Volk eindringt, wenn von dem Frieden, der als Wesensbestandteil menschlichen Glückes symbolisch gepriesen wird, ein Strom in unsere friedlose liebeleere Zeit fließt, dann haben sich die Calcarer Freilichtspiele ein Verdienst erworben, das mit klingendem Lohn nicht zu vergleichen ist.

 Nahezu 200 000 Besucher aus dem Rheinland, Westfalen und Holland fanden sich bisher in der Teufelsschlucht ein, gewiß die beste Anerkennung für den künstlerischen und volksbildnerischen Wert der "Calcarer Freilichtspiele", die sich zugleich als das vorzüglichste Mittel moderner Verkehrswerbung für unsere niederrheinische Kleinstadt erwiesen haben.

(Abgeschrieben aus dem Niederrhein. Heimatkalender 1933)